Aktionswochen gegen Antisemitismus in Freiburg

PlakatIm Gedenken an die Reichspogromnacht finden im November die von der Amadeu Antonio Stiftung veranstalteten Bundesweiten Aktionswochen gegen Antisemitismus statt. Wir beteiligen uns im Zeitraum vom 10. November bis zum 19. November mit einem Workshop und drei von uns organisierten Vorträgen an dem umfangreichen Programm. Den Flyer für die Aktionswochen in Freiburg findet ihr hier. Ans Herz legen wollen wir euch auch noch die Lektüre eines Textes Freiburger Antifaschist*innen zum 9. November: “Kein Vergeben – Kein Vergessen”. Am Sonntag, den 9. November findet zudem ab 17.30 Uhr am Platz der Alten Syn­agoge die tra­di­tio­nelle Kun­de­ge­bung zum Geden­ken an die verfolgten Frei­bur­ger Jüdin­nen und Juden statt.

 

Workshop: Einführung in die Kritik des Antisemitismus

Referent*in: Anarchistische Gruppe Freiburg
Datum & Ort: 10. November, 18 Uhr, Universität Freiburg Raum 3118

Im Zuge des wiederaufflammenden Konfliktes zwischen der radikal-islamistischen Hamas und dem Staat Israel kam es in ganz Europa zu einer Welle offen antisemitischer Manifestationen, Angriffen auf Synagogen, jüdische Einrichtungen und als Juden ausgemachte Menschen. Antisemitismus ist in Deutschland jedoch nicht nur eine Einstellung, die von Islamisten oder Neo-Nazis geteilt wird. So stimmten 2011 bei einer Umfrage einer Forschergruppe aus Bielefeld rund 13% der Befragten der Aussage „Juden haben in Deutschland zu viel Einfluss“ zu. Ein latenter Antisemitismus lässt sich bei etwa 20% der deutschen Bevölkerung feststellen. Auch Äußerungen deutscher Publizisten und Zeitungen (wie der Süddeutschen Zeitung) werden regelmäßig als antisemitisch eingestuft.
Offen antisemitische Parolen wie „Juden ins Gas“ sind einfach als solche zu erkennen. Doch warum sind auch Sprüche wie „Kindermörder Israel“ oder „Apartheidstaat Israel“ als antisemitisch zu klassifizieren?
In dem Workshop wollen wir uns fragen: Was kennzeichnet den (modernen) Antisemitismus? Ist Antisemitismus nur eine Form von Rassismus oder etwas qualitativ Anderes? Welche theoretischen Erklärungsversuche gibt es zum Antisemitismus? Und schlussendlich: Was können wir gegen Antisemitismus tun?

Vortrag und Diskussion: Was ist israelbezogener Antisemitismus? – Betrachtungen nach den judenfeindlichen Hasskundgebungen des letzten Sommers

Referent: Lothar Galow-Bergemann
Datum & Ort: 12. November, 20 Uhr, Universität Freiburg Raum 1221

Wie wenig Antizionismus von Antisemitismus trennt, wurde selten so deutlich wie während der antiisraelischen Massenaufmärsche dieses Sommers, die in Sprechchören „Tod den Juden!“ forderten. Die selbstgerechte deutsche Mehrheitsgesellschaft wusste sofort, dass der Antisemitismus lediglich durch „die Türken“ bzw. „den Islam“ importiert ist. Schließlich, davon bleibt sie felsenfest überzeugt, hat sie aus der Shoah mehr gelernt als die Juden, weshalb ihre mit Hingabe gepflegte „Israelkritik“ nie und nimmer irgend etwas mit Antisemitismus zu tun haben kann. Diese Gewissheit gehört auch zu den Basics einer pseudokritischen Linken, die viel mehr Mainstream ist, als sie glaubt.
Doch wer eben noch in „internationalistischer Solidarität“ zusammen mit offenen Hamas-Fans gegen Israel demonstriert hatte, bekam nun ein faustdickes Problem. Wie um alles in der Welt sollte man sich von den Propagandisten des Judenmords abgrenzen? Heraus kamen Verschwörungsphantasien und skurrile Statements, die weniger überzeugend ausfielen denn je. In welcher Situation befinden sich Juden und der jüdische Staat und warum befördert den Antisemitismus, wer „gegen den Zionismus“ demonstriert?

Lothar Galow-Bergemann schreibt u.a. für konkret, Jungle World und emmaundfritz.de

 

Vortrag: „Antisemit, das geht nicht unter Menschen!“ – Anarchistische Positionen zu Antisemitismus, Zionismus und Israel

Referent: Jürgen Mümken
Datum & Ort: 15. November, 19 Uhr, Strandcafé (Adlerstraße 12 / Grether Gelände)

Eine freiheitliche, sozial gerechte Gesellschaft kann nur dann erreicht werden, wenn zuvor auch eine der ältesten Gruppenfeindschaften der Menschheitsgeschichte, der Antisemitismus, der im letzten Jahrhundert durch den deutschen Nationalsozialismus zum schlimmsten Menschenverbrechen der Geschichte geführt hat, in den Köpfen und Herzen aller Menschen dauerhaft beseitigt wird.
In dem Vortrag wird ein Ritt durch die Geschichte anarchistischer Positionen zu Antisemitismus, Zionismus und Israel gemacht: von anarchistischen Antisemiten und den Kampf gegen Antisemitismus, von der Dreyfus-Affäre, über die antijüdischen Pogrome in Russland zur Shoah, von einem anarchistischen Zionismus über die Kibbuz-Bewegung zum Staat Israel, von Bubers Bi-Nationalismus über eine anarchistische Pro-Israel-Haltung zu Anarchist against the war. Es gab und gibt nicht die anarchistische Position zu Zionismus und Israel. Jürgen Mümken stellt in seinem Vortrag die verschiedenen Positionen in ihrem jeweiligen Zeitkontext dar.

Jürgen Mümken ist Herausgeber von “Antisemit, das geht nicht unter Menschen!” Anarchistische Positionen zu Antisemitismus, Zionismus und Israel Band 1 & 2, Edition AV 2013/2014

 

Vortrag: Kommunistische Arbeiterbewegung und Antisemitismus

Referent: Olaf Kistenmacher
Datum & Ort: 19. November, 20 Uhr, Universität Freiburg Raum 1221

Es ist unübersehbar, dass die sozialistische und kommunistische Linke des 19. und frühen 20. Jahrhunderts den Antisemitismus unterschätzt und falsch gedeutet hat. Judenfeindschaft galt als ein Ablenkungsmanöver der herrschenden Klasse, um die Arbeiterschaft zu spalten, und als eine unbewusste Form des Antikapitalismus. August Bebel wird die Aussage zugeschrieben, beim Antisemitismus handle es sich um einen „Sozialismus der dummen Kerls“. So lehnte die SPD wie auch die später die KPD einerseits Judenhass ab und bekämpfte offen antisemitische Parteien. Andererseits versuchte insbesondere die KPD in den 1920er Jahren wiederholt, an das vermeintliche antikapitalistische Potenzial des Judenhasses anzuknüpfen. „Wer gegen das Judenkapital aufruft, meine Herren, ist schon Klassenkämpfer, auch wenn er es nicht weiß“, mit dieser Argumentation wollte Ruth Fischer, 1924 Vorsitzende der KPD, im Krisenjahr 1923 völkische Studierende für die KPD gewinnen.
Der Vortrag beschäftigt sich mit der Entstehung dieses spezifischen Antisemitismus von links und endet mit der Frage, inwieweit eine subtile Form der Judenfeindschaft auch bei den stalinistischen „Säuberungen“ 1936-38 eine Rolle spielte.

Olaf Kistenmacher, Historiker aus Hamburg, promovierte über antisemitische Aussagen in der Tageszeitung der KPD, „Die Rote Fahne“, zur Zeit der Weimarer Republik. Aktuelle Veröffentlichung: Zum Teufel mit Stalin. Die Moskauer Prozesse von 1936 bis 1938, in: Jungle World 22, 28. Mai 2014.

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Die Veranstaltungsreihe wird freundlicherweise von der Amadeu Antonio Stiftung, DIKA e.V. und dem StuRa der Universität Freiburg gefördert.


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